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Veröffentlicht am 27. April 2010
Im Kanton Bern leben 120 000 Ausländer und Ausländerinnen, zwei Drittel von ihnen haben eine Niederlassungsbewilligung, ein Drittel eine längerfristige Aufenthaltsbewilligung. Die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung kann bereits heute an den Besuch eines Sprach- oder Integrationskurses gebunden werden. Allerdings nur bei einer kleinen Minderheit, etwa bei Personen aus Drittstaaten im Familiennachzug. Die meisten Ausländer im Kanton Bern stammen aber aus Europa. Mit einem neuen kantonalen Integrationsgesetz soll diese Ungerechtigkeit aufgehoben werden und zum Beispiel auch von Ausländern aus dem EU-Raum Integrationsbemühungen unter Androhung einer Busse verlangt werden können, sagte Roland Beeri, Leiter Fachstelle Integration. Die Gesundheits- und Fürsorgedirektion hat den Entwurf des Integrationsgesetzes gestern in die Vernehmlassung geschickt.
Das Gesetz mit den Integrationsvereinbarungen mit Migranten und Migrantinnen basiert auf dem Basler Integrationsmodell. Dieses wurde von einer Ethnologin entwickelt und vom Integrationsbeauftragten des Kantons Basel-Stadt, Thomas Kessler, umgesetzt (siehe Interview rechts). Die Stadtberner grüne Grossrätin Barbara Mühlheim verlangte 2007 in einer Motion explizit, verbindliche Integrationsrichtlinien auszuarbeiten, die sich am Basler Integrationsgesetz orientieren. Das Gesetz habe das Ziel, Gleichberechtigung und Chancengleichheit für Migranten und Migrantinnen zu schaffen sowie die Sensibilisierung der schweizerischen Bevölkerung, sagte Gesundheitsdirektor Philippe Perrenoud (SP).
Erstgespräch bei der Gemeinde
Konkret bedeutet das Gesetz, dass Ausländer bei ihrer Anmeldung auf einer Gemeinde mit den Behörden ein Erstgespräch führen. Bei dieser Gelegenheit sollen sie die wichtigsten Informationen über das Leben in der Gemeinde und über Integrationsangebote in der Region erhalten. Vorgesehen sei, sagte Beeri, dass der Kanton Informationsbroschüren ausarbeite, die den Personen abgegeben werden könnten. Anhand eines Kriterienrasters sollen die Gemeindebehörden feststellen, ob die Person ein vertieftes Gespräch benötige. Für dieses können die Personen bei den bestehenden Kompetenzzentren Integration in Bern, Biel, Thun, Burgdorf oder Langenthal angemeldet werden. «Wenn die Gemeindebehörde das Erstgespräch wegen Sprachschwierigkeiten nicht führen kann, soll sie die Personen gleich an ein Kompetenzzentrum weiterleiten», sagte Beeri. Der Kanton Bern nehme mit den obligatorischen Erstgesprächen in der Schweiz eine Pionierrolle ein, sagte Perrenoud.
Die Kompetenzzentren können entweder eine ausländerrechtliche Integrationsvereinbarung (bereits heute möglich) oder eine Integrationsvereinbarung auf kommunaler Ebene veranlassen. Die Nichteinhaltung einer solchen Massnahme, wie z. B. der Besuch eines Sprachkurses kann schliesslich mit der Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung oder einer Busse sanktioniert werden. Die Angebote an «niederschwelligen Sprach- und Integrationskursen» sicherstellen muss der Kanton.
Pilotprojekt läuft gut
Durch den Besuch solcher Kurse sollen die Ausländer nicht zuletzt für die Integration in den Arbeitsmarkt gerüstet werden. Eine erfolgreiche Integration trage zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts bei, hiess es. Bereits seit einem Jahr läuft in der Gemeinde Ostermundigen ein Pilotprojekt mit Integrationsvereinbarungen. Die Erfahrungen daraus sollen in die Gesetzesverordnungen einfliessen. «Ich hatte bei der Einführung des Pilotprojekts etwas Hemmungen», sagte Perrenoud. Aber die Zwischenauswertungen seien positiv. Endlich interessiere sich jemand für sie, laute die Rückmeldung der Migrantinnen und Migranten. Begleitet wurde der Gesetzesentwurf von der kantonalen Integrationskommission. Insgesamt würdigte Kommissionsmitglied Juliette Sellathurai das Gesetz als gelungen und zeitgemäss. Allerdings sei Integration nicht nur eine Angelegenheit der Migrantinnen und Migranten. Das Gesetz solle auch die einheimische Bevölkerung in die Pflicht nehmen, schreibt der Kanton in einer Informationsbroschüre zum Gesetz. In diesem Punkt gebe es allerdings wenig Ansatzpunkte, Druck aufzusetzen, sagte Beeri. Begrüsst wurde von Sellathurai, dass im Gesetz auch Massnahmen gegen Diskriminierung von Ausländern verankert seien.
Artikel aus dem Tagesanzeiger: Ausländer müssen sich integrieren, sonst drohen ihnen Strafen